Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang hat sich im Reinen gezeigt mit ihrer Entscheidung, vom Parteivorsitz zurückzutreten. „Das war natürlich eine große Angst, die ich hatte“, sagte Lang dem Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). Im Moment der Entscheidung sei da erstmal die Frage gegewesen, was sei, wenn sie es bereue.
Zwar gebe es Momente des Schmerzes oder Phantomschmerzes, „aber es gab tatsächlich keinen einzigen Tag, und damit hätte ich selbst nicht gerechnet, wo ich es bereut habe“. Sie habe große Angst gehabt, „dass so ein Loch kommt nach dem Parteitag“, räumte sie ein. „Bisher ist es nicht da. Ich weiß nicht, ob es nochmal kommt. Also ich glaube, spurlos geht sowas nicht an einem vorbei. Aber bisher bin ich sehr im Reinen mit mir, mit der Entscheidung.“
Die Tage nach der verlorenen Brandenburg-Wahl im September beschrieb Lang als „eine Phase, in der ich viel geweint habe“. Jetzt könne sie „mit einer gewissen Abgeklärtheit“ darüber reden, als ob das ein „ganz deliberativer, netter Prozess gewesen“ wäre. „Das war es natürlich nicht. Das waren Phasen, wo man ja auch mal verzweifelt.“
In dieser emotionalen Phase sei ihr Mann eine große Stütze gewesen. „Ich habe auch mit ihm natürlich darüber geredet, was er richtig, was er falsch findet, auch für unser gemeinsames Leben“, sagte sie. „Aber er war dann natürlich auch getroffen von der Situation.“
Ihr Rücktritt sei aus freien Stücken erfolgt, so Lang. Co-Chef Omid Nouripour und sie hätten den Vizekanzler und späteren grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck am Abend vor der offiziellen Verkündung „informiert über unsere Entscheidung“, sagte Lang. „Er hat sich natürlich bedankt für die Arbeit. Er hat das zur Kenntnis genommen.“
Lang bekannte, sie habe sich „manchmal in diesem Job selbst verloren“. Sie habe häufig im Nachhinein gehört, „du redest viel offener, du redest viel ehrlicher“. In Teilen sei das auch die Freiheit, die man ohne das Spitzenamt habe, so die Grünen-Politikerin. „Und trotzdem frage ich manchmal, wäre es nicht auch damals schon gegangen? Was wäre das Risiko gewesen?“
Am meisten versteckt habe sie als Parteivorsitzende ihren Humor. Seit dem Rücktritt nehme sie sich mehr Zeit für die Wähler. „Wir haben jetzt angefangen, dass immer am Freitag mir mein Büro die Bürgerinnenpost der Woche auf den Tisch legt, für die ich mir dann auch wirklich ein, zwei Stunden nehme, das zu lesen. Und dann in der Woche danach wir fünf davon anrufen und ich mit denen ins Gespräch gehe.“
Außerdem habe sie mit dem Ganzkörpertraining Pilates angefangen. „Das tut mir auch sehr gut“, so Lang. Ein „totaler Traum“ von ihr sei, wieder mit dem Reiten anzufangen. „Ich bin als Kind geritten und das wäre eigentlich sowas, was ich unfassbar gerne wieder machen würde. Aber das ist natürlich ein wahnsinnig zeitintensiver Sport“, sagte die Abgeordnete. Das bleibe vielleicht noch für eine andere Phase des Lebens.
Lang möchte nach eigenem Bekunden nicht ihr ganzes Leben in der Politik verbringen. Sie kandidiere jetzt noch einmal für den Bundestag, aber sie habe nicht vor, dem inzwischen verstorbenen Parlamentspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) „den Rang abzulaufen“. Sie wolle nicht langjährigste Bundestagsabgeordnete werden, sondern habe „irgendwann Lust, was anderes zu machen“. Als sie sich zum Rücktritt vom Parteivorsitz entschloss, habe sie überlegt, ganz mit der Politik aufzuhören, verriet Lang. „Und da habe ich schon noch gemerkt, nee, ich habe noch nicht fertig.“
Foto: Ricarda Lang am 26.01.2025, via dts Nachrichtenagentur
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