Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Mindestens 670 derzeitige Lobbyisten im politischen Berlin haben vorher im Bundestag, der Regierung oder der Bundesverwaltung gearbeitet – und einige für hochrangige Mitglieder der Bundesregierung. Das geht teilweise aus einer neuen Pflichtangabe im Lobbyregister hervor, zum Teil hat das Portal „Abgeordnetenwatch“ die Informationen aber auch selbst recherchiert und am Dienstagabend veröffentlicht. Bereits seit 2024 müssen Interessenvertreter im Lobbyregister entsprechende Angaben machen, die genauen Netzwerke dahinter bleiben aber normalerweise unsichtbar.
Besonders pikant: Ein ehemaliger Büroleiter von Friedrich Merz in der CDU-Parteizentrale ist demnach mittlerweile Direktor einer PR- und Lobbyagentur. Die soll Kunden im letzten Bundestagswahlkampf Unterstützung bei der Platzierung ihrer Anliegen unter der Überschrift „Welchen Satz möchten Sie im Koalitionsvertrag 2025-2029 lesen?“ angeboten haben.
Als Lobbyist für den Drohnenhersteller Stark Defence (SKD SE) ist seit Juni der frühere SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt im Register eingetragen. Arlt saß bis März für die SPD im Bundestag, verlor aber sein Direktmandat. Im Wahlkampf hatte er persönliche Unterstützung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erhalten, mit dem er nach eigenen Angaben „sehr, sehr eng“ zusammenarbeitet.
Ein ehemaliger Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium ist CEO eines großen eFuels-Herstellers. Als Ministeriumsmitarbeiter hatte er zuvor einen Förderungsbescheid für ein Projekt seines späteren Arbeitgebers unterzeichnet.
Nach Recherchen von „Abgeordnetenwatch“ sind außerdem mehrere ehemalige Mitarbeiter des heutigen Unionsfraktionschefs Jens Spahn (CDU) als Lobbyisten für internationale Pharmakonzerne registriert.
Und ein ehemaliger Verteidigungsreferent des heutigen Außenministers Johann Wadephul (CDU) arbeitet seit Mai 2025 als Lobbyist für den Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Hinter dem Verband, der nach eigenen Angaben bei „politischen Institutionen und ausländischen Vertretungen in Deutschland“ lobbyiert, stehen unter anderem die Rüstungskonzerne Rheinmetall, Hensoldt und Airbus Defence.
„Wenn zahlreiche Ex-Abgeordnete und ihre Vertrauten direkt in Lobbyjobs wechseln, ist das kein Einzelfall, sondern ein systemisches Problem“, sagte Sarah Schönewolf, Sprecherin von „Abgeordnetenwatch“, am Dienstag. Der Übergang von politischer Macht in wirtschaftliche Interessenvertretung sei völlig unzureichend geregelt. „Wer eben noch im Parlament saß, bringt nicht nur Wissen, sondern vor allem Zugang, Einfluss und Vertrauen mit – ein ideales Einfallstor für wirtschaftliche Interessen.“
Insgesamt elf Abgeordnete haben seit ihrem Ausscheiden nach der Bundestagswahl 2025 eine Tätigkeit als Lobbyist aufgenommen und entsprechende Angaben gemacht. Laut „Abgeordnetenwatch“ gibt es aber auch Lobbyisten, die ihre vorherige politische Tätigkeit im Lobbyregister verschweigen und damit gegen das Lobbyregistergesetz verstoßen.
Foto: Friedrich Merz und Boris Pistorius (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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